Details an der Fassade

Francis Soler in Clichy – Frankreich

Carmen in Paris

Der Wohnungsbau von Francis Soler in der Allée Paul-Signac in Clichy von außen

Der Wohnungsbau von Francis Soler in der Allée Paul-Signac in Clichy von außen © ARR

Der Wohnungsbau von Francis Soler in der Allée Paul-Signac in Clichy ist gleichzeitig ein Ableger und eine Weiterentwicklung des 1997 von ihm fertiggestellten Gebäudes in der Rue Emile Durkheim in Paris gegenüber der Nationalbibliothek von Dominik Perrault. Ein Ableger, da halb so groß wie sein Vorgänger und der Finanzrahmen bei dem sozialen Wohnungsbau im Nordwesten von Paris mit 6500 F/m2 um 1000 F niedriger lag als in der Rue Emile Durkheim und so ein paar kostensparende Änderungen eingefügt werden mussten. Eine Weiterentwicklung, da aus dem vorherigen Projekt gelernt wurde und einige Bauteile, wie z.b. die Breite der Fassadenelemente, entsprechend angepasst wurden. Der Bauherr und Investor Batigère / Sarel beauftragte den Architekten, nachdem sie zusammen das Gebäude in Paris besichtigt hatte.

Der Wohnungsbau liegt in einem Vorort nordwestlich von Paris und ist eines der letzten Bauten einer ZAC, welche Anfang der 90er Jahre entwickelt wurde. Eine ZAC „Zone d’aménagement concerté“ bezeichnet eine festgelegte Zone in einer französischen Stadt, welche nach einem gemeinsamen Städtebaulichen Rahmenplan über einen bestimmten Zeitraum entwickelt und mit staatlichen, finanziellen Hilfen gefördert wird. In dem Gebäude befinden sich 70 Sozialwohnungen mit 2 bis 4 Zimmern, Gewerbeflächen im Erdgeschoss und auf zwei Untergeschossen 65 Parkplätze und die erforderlichen Technischen Anlagen.

Der Wohnungsbau von Francis Soler mit Blick auf den Garten

Der Wohnungsbau von Francis Soler mit Blick auf den Garten © ARR

Die Idee des Gebäudes liegt in einer konzeptuellen, technischen und finanziellen Differenzierung zwischen Tragstruktur und Fassade. Eine konstruktiv optimierte und gleichzeitig banalisierte Struktur ermöglichte es einen größeren Teil des Budgets in eine aufwändigere, ambitionierte Fassadengestaltung zu investieren. Die Qualität des auf den ersten Blick vielleicht uniform erscheinenden Gebäudes liegt in den ersten 60 cm der Außenhaut. Danach bestimmen die Vorschriften des Sozialen Wohnungsbaus die Grundrisse.

Die Struktur des Gebäudes besteht aus einer einfachen Stapelung von freien Betondecken und einer davon unabhängigen umlaufenden Fassade. Jede Etage blieb statisch frei von allen Einbauten, Mauern oder Zwischenwänden, welche eine zukünftige Änderung der Nutzung beeinträchtigen würde. Francis Soler suchte eine Konstruktion, welche sich im Laufe der Zeit verschiedenen Nutzungen ohne Änderungen an der tragenden Struktur anpassen könnte.

Grundriss eines Stockwerkes

Grundriss eines Stockwerkes © ARR

Die Decken wurden in den Abmessungen von 48 Meter Länge und 14 Meter Breite gegossen und mittig durch eine langgestreckte Wandscheibe mit Durchbrüchen ausgestreift. In dieser Wandscheibe liegen auch die vertikalen Erschließungen. In der Randzone der Decke wurde in einem Abstand von 3 bis 4 m eine Abfolge von vorgefertigten, quadratischen Stützen aus Hochleistungsbeton mit einen Querschnitt von 22 cm gesetzt. Die Träger wurde in die Decke integriert und diese mit entsprechender Bewehrung ausgestattet.

Der Hochleistungsbeton, der wegen seiner höheren Kosten bisher nur für Infrastruktureinrichtungen und Architektonische Prestigeobjekte eingesetzt wurde, erlaubte hier Kosten einzusparen. Die Quantität des nötigen Betons und die Ausmaße der Elemente wurde verringert, was die Nutzfläche vergrößerte, denn die hier eingesetzten Stützen besitzen einen etwa zweimal kleineren Querschnitt als aus Normalbeton. Der Einbau von Fertigteilen ermöglichte eine kürzere Bauzeit, Einsparungen bei der Leistung und Mietdauer der Baukränen und weiter Nebenkosten. Der Einsatz einer aufwendigeren Technik mit seinen höheren Grundkosten wurde mit so gesteuert, das letztendlich ein optimales Ergebnis erzielt wurde.

Details an der Fassade und Blick auf die Außengänge

Details an der Fassade und Blick auf die Außengänge © ARR

Alle Wohnungstrennwände sind als leichte Wände ausgeführt. Es gibt außer der mittleren Wandscheibe und den umlaufenden Stützen keine tragenden Elemente. Ein umlaufender Balkon aus vorgefertigten Betonelementen und einer Holzverkleidung gibt jeder Wohnung einen kleinen Außenraum. In der Ansicht sind die Betonelemente von dem Holzboden getrennt und bilden so nur zwei feine, horizontale Linien. Einschnitte im Plan und in der Fassade, unterbrechen die Zweidimensionalität und Horizontalität der Fassade und bringen natürliches Licht in die Erschließungszonen.

Drei verschiedene Fassaden strukturieren das Gebäude. Die Gewerbeflächen im Erdgeschoss sind mit einem einfachen, neutralen Standartsystem verglast, die erste bis sechste Etage mit goldfarbenen Fassadenelementen und die siebte und letzte Etage, welche sich nach den Vorschriften der ZAC von den unteren Geschossen unterscheidet, mit den Fassadenelementen der Rue Emile Durkheim.

Die Arbeit von dem Architekten Francis Soler ist oft durch die Wiederholung und den daraus entstehenden Rhythmus bestimmt. Die Grundidee ist einfach ein einzelnes Element zu entwerfen und es dann so oft wie möglich zu wiederholen, ohne Langeweile zu erzeugen. Dabei geht es darum das einzelne Element so gut wie möglich zu detaillieren und durch die Kleinserienherstellung Kosten zu sparen und die Qualität zu verbessern. So entwarf er für dieses Gebäude ein Fassadenelement, welches etwa 700 mal bei dem Gebäude eingesetzt wurde.

Details an der Fassade

Details an der Fassade © ARR

Die Fassadenelemente in Perlgold (RAL 1036) besitzen eine Breite von 1m, eine Höhe von 2,50m, eine Verglasung von ungefähr 50% und sind fast in ihrer Totalität verschiebbar ausgebildet. Nur zwischen zwei Wohnungen wurde jeweils ein Element aus akustischen Gründen fest eingebaut.

Francis Soler sah diese Fassadenelemente jedoch nicht als klassische Verglasungen, also als Rahmen die eine Verglasung tragen, sondern als Türen, die in einem vertikalen Teil verglast sind. Keines der auf dem Markt vorhandenen Standartprofile passte in die Vorstellung des Architekten. Ausgehend von dem Vorteil einer Kleinserie von 684 Elementen fragte er bei den Fabrikanten an, ein Standartprofil von 7 cm auf 23 cm zu verbreitern. Die Firma Schüco war interessiert und startete nach einem vorhandenen Profil eine neue Serie in den gewünschten Abmessungen. Das Resultat ist ein im Aufbau einfaches und unkompliziertes Fassadenelement. Im Gegensatz zu einem sonst notwendigen Baukasten von verschiedenen existierenden Profilen, kam man nun mit wenig Teilen auf die gewünschten Abmessungen.

Die Firma Decoglace in Clermont-Ferrand steuerte die Entwicklung des neuen Profils. Es besitzt eine Breite von 23 cm auf 3 cm, ist mit zwei zusätzlichen Stegen verstärkt und wurde in der Mitte mit einen Kömacel Kern von Kömmerling ausgestattet, um den Schallschutz zu verbessern.

Blick vom Inneren einer Wohnung nach außen, Fassadendetails auf der Fensterscheibe

Blick vom Inneren einer Wohnung nach außen, Fassadendetails auf der Fensterscheibe © ARR

Die gesamte siebte und letzte Etage wurde mir der Fassade der Rue Emile Durkheim ausgestattet. Die Außenhaut springt etwas zurück und besitzt eine doppelten Glassfassade von 3,50 m Höhe. Auch hier sind fast alle Elemente als Schiebetüren ausgebildet und die eingesetzte doppelte Fassade ermöglichte eine Vollverglasung der Schiebeelemente. In Frankreich erlaubt die aktuellen Wärmeschutzverordnungen keine Vollverglasung bei einfachen Fassaden. Daher wurde bei dem Gebäude die Vollverglasung auf die siebte Etage begrenzt, um den Kostenrahmen zu halten.

Darstellung der Fassadendetails

Darstellung der Fassadendetails © ARR

Wie in dem vorherigen Gebäude sind die äußeren Fassadenelemente über der gesamten Höhe mit Serigraphien überzogen. Die aufgedruckten Bilder, die nach dem Thema von der Oper Carmen gestaltet wurden, besitzen eine Art Schutzfunktion. Sie bilden einen Filter für das Privatleben, die Intimität. Ein vollverglastes Element mit Serigraphie findet sich auch in den Wohnungen der ersten bis sechsten Etage. Es ermöglicht den Lichteinfall zu steuern und eine gewisse, wenn auch kleine, persönliche Freiheit der Fassadengestaltung des Bewohners.

Die kreative Arbeit der Architekten wird seit einiger Zeit mehr und mehr auf die Fassade beschränkt und gerade das umfangreiche Regelwerk des sozialen Wohnungsbaus lässt nicht viel Platz für Änderungen in der Aufteilung des Wohnraumes. Francis Soler geht dabei mit seinem Gebäude einen sehr klaren Weg. Er optimiert technisch kreativ die Struktur und konzentriert seine gestalterische Arbeit auf die Fassade. Durch die Konzentration der Mittel auf ein Element des Gebäudes schafft er es ihm einen Charakter, eine Identität zu geben, was vielen Gebäuden des gleichen Typs fehlt.

Autor: Christian Horn leitet das Architektur und Planungsbüro rethink

Text veröffentlicht in der Zeitschrift Architektur, 03/2002

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