Das Weingut "Les Aurelles" von Außen

Das Weingut Les Aurelles – Frankreich

Der Wein und die Architektur

Der französische Architekt und Winzer Gilles Perraudin realisiert in Nizas, nahe bei Montpellier einen Weinkeller für das Weingut von „Les Aurelles“. Aus dem massivem Stein eines regionalen Steinbruchs erbaut, respektiert er bei erstaunlich geringen Baukosten die strengen raumklimatischen Bedingungen der Weinlagerung.

Das Weingut "Les Aurelles" von Außen

Das Weingut « Les Aurelles » von Außen © ARR

Der Charakter des Weines ist ein Spiegelbild seiner Umwelt. Der Wein reagiert auf alle Einflüsse seiner Umgebung, auf feinste Schwankungen des Klimas und auf die chemischen Bestandteile, natürlicher oder künstlicher Art, die ihn umgeben. Diese Sensibilität ist Teil seiner Natur, lässt ihn uns genießen, macht ihn jedoch auch verwundbar.

Die extreme Sensibilität für alle chemischen Stoffe, die sich in den verschiedenen Baumaterialien finden können, machen die Weinkeller zu einem idealen Experimentierfeld für ein umweltverträgliches Bauen. Die französischen Winzergemeinschaften fordern, durch einige Fehlschläge alarmiert, seit längerem die Entwicklung eines Grünen Siegels für Baumaterialien ohne schädliche, chemische Zusatzstoffe.

Der Architekt Gilles Perraudin, selber als Winzer aktiv, hat in Nizas, nahe bei Montpellier für das Weingut „Les Aurelles „ einen neuen Weinkeller fertiggestellt. Er schafft es mit einem erstaunlich geringen Krafteinsatz, die strengen raumklimatischen Bedingungen der Weinherstellung und Lagerung zu respektieren. Die Wahl auf einen massiven Stein als Baumaterial zurückzugreifen ist eine seiner der Reaktion auf die raumklimatischen Anforderungen. Für die anderen Materialien hatte das chemische Labor Exel eine Reihe von Baustoffen getestet und prämiert, wie ein Beton ohne Zusatzstoffe, Ziegelsteine und umweltverträgliche Holzschutzmittel.

Das Gebäude befindet sich auf dem Gelände eines ehemaligen Weinberges am Rande der Ortschaft. Ausgerichtet entlang der Nord-Süd Achse erstreckt es sich auf 61 m Länge und 11 m Breite mit einer Höhe von 5,60 m. Die lineare Anordnung charakterisiert weitgehend die Architektur und die Zonierung des Gebäudes. Nach dem klassischen, einfachen Grundriss der Weinkeller gruppiert sich das in zwei Baumassen aufgeteilte Raumprogramm seitlich neben dem Haupteingang.

Das Weingut "Les Aurelles" von Innen

Das Weingut « Les Aurelles » von Innen © ARR

Der nördliche Baukörper nimmt die Hauptfunktionen, wie die Gärbottiche und das Weinlager auf und ist in seiner Länge von ungefähr 40 m halb in das Gelände eingegraben. Der Innenraum füllt die Totalität des Baukörpers aus und ist durch einen schmalen, durchlaufenden Fensterspalt unter der Dachkante natürlich belichtet. Der südliche Baukörper steht frei und beherbergt im Erdgeschoss das Lager für die trockenen Materialien, darüber die durch eine Reihe von vertikalen Fenstern auf der Ostseite belichteten Büros und das von den anderen Funktionen abgetrennte Lager für die landwirtschaftlichen Geräte auf der Südseite.

Architektur aus massivem Stein scheinen heute überwiegend den historischen Rekonstruktionen oder der Renovationen alter Gebäude vorbehalten. Mit diesem Gebäude möchte Gilles Perraudin dem Stein wieder einen Platz in der Architektur schaffen und zeigen, dass der massive Stein ein kostengünstiges Material sein kann und eine zeitgenössische Architektur ohne historisierende Züge ermöglicht.

Die Blöcke aus Muschelkalk in den Abmessungen von 2,20×1,30×0,90 m stammen aus dem nahen Steinbruch von Vers und wurden in der Breite in zwei gleiche Hälften von 0,65 m geschnitten, was der Stärke der Mauern entspricht. Der Steins wurde mit drei gesägten, glatten und drei rauen, unregelmäßigen Oberflächen geliefert. Die Blöcke sind alle gleich ausgerichtet und mit natürlichem Kalk verfugt. Da der Stein zu weich ist, um zur reinen Verkleidung von Gebäuden genutzt zu werden ist er recht günstig geblieben. Die glatten Oberflächen bilden das äußere Erscheinungsbild, während im Inneren die Spuren der unregelmäßigen Bearbeitung im Steinbruch den Raum charakterisieren.

Die Konstruktion ist einfach und unkompliziert. Die Dachkonstruktion stützt mit ihren betonierten Hauptträger auf die Seitenwänden und einer Serie von Doppelstützen, welche den Raum der Gärbottiche und Weinlager wie in einem Kirchenschiff strukturieren. Die Hauptträger nehmen die Lasten der vorgespannten Nebenträger auf. Die Unterseite der Decke ist mit roten Ziegeln verkleidet und die Dachkonstruktion trägt ein intensives Bepflanzungssystem von 40 cm Höhe. Schwertlilien sind für die Bepflanzung des Daches vorgesehen.

Die Isometrie zeigt die Einfachkeit des Bauwerks - wie im Baukastenprinzip setzt sich das Gebäude aus den Steinen zusammen

Die Einfachheit des Bauwerks – wie im Baukastenprinzip setzt sich das Gebäude © ARR

Der Architekt nutzte die physikalische Trägheit des Steins zur Steuerung des Raumklimas. Die Stärke der Mauern und die Schwere des bepflanzten Daches gleichen durch ihre Speichermasse die täglichen und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen aus. Frischluft wird durch ein in der Erde verlegtes Rohr mit 40 cm Durchmesser aus einer 4 m tiefen, außenliegenden Grube in die Lagerräume geleitet. Die Außenluft kühlt sich durch die relativ gleichbleibende Erdtemperatur im Sommer ab und erwärmt sich im Winter. Ein elektronisches System steuert den in das Dach integrierten Ventilator und erzeugt einen Unterdruck im Gebäude, welcher die Frischluft ansaugt. Diese einfachen Maßnahmen reichen aus, um die Schwankungen der Außentemperatur auszugleichen und die Innentemperatur selbst bei großer Hitze auf unter 22°C zu halten.

Die Mischung aus einem kostengünstigen Material mit einer hohen Speichermasse, welches tragende Struktur, Außen- und Innenverkleidung, thermische und akustische Isolation darstellt, eine auf ein Minimum reduzierte Bearbeitung und eine einfache und schnelle Konstruktion ermöglichte die Baukosten, trotz einer Konstruktion aus massivem Stein mit einer Dicke von 65 cm, auf dem Niveau eines landwirtschaftlichen Hangars zu halten. Letztendlich verpflichtete die umbaute Fläche von 665 m2 für ein landwirtschaftliches Gebäude den Bauherren nicht einen Architekten zu beauftragen.

Autor: Christian Horn leitet das Architektur und Planungsbüro rethink

Text veröffentlicht in der Deutschen BauZeitschrift, 01/2002

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