Das Gebäude "Tête en l’air" in Paris

Paris entdeckt den Holzbau – Frankreich

Das Gebäude "Tête en l’air" in Paris

Das Gebäude « Tête en l’air » in Paris @ KOZ

Der von dem Pariser Architekturbüro KOZ geplante Wohungsbau «Tête en l’air» befindet sich in einer engen Straße im nördlichen Teil der Stadt Paris, der Rue Philippe de Girard. Historisch gesehen ein Arbeiter- und Einwandererviertel südlich der ehemaligen Industriegebiete von Saint-Denis gelegen. Der Bauträger Siemp der Stadt Paris hatte das Gebäude im Rahmen der Sanierung des Stadtviertels übernommen und auf dem Grundstück 30 Sozialwohnungen vorgesehen.

Das Projekt ist eine Kombination von einem renovierten sechsgeschossigen Bestandsgebäude an der Straße und einem damit verbundenen linearen Neubau mit fünf Geschossen im hinteren Bereich der langgestreckten Parzelle. Der Neubau setzt sich durch seine Materialität und Form stark von dem Bestandsgebäude ab. Die Architekten wollten eine spielerische Architektur in den hinteren Bereich der Parzelle einbringen und neben der Bereitstellung von Wohnraum, mit Nachbarschaftsgärten, Balkonen und Terrassen auch Begegnungsräume anbieten.

Das Gebäude "Tête en l’air" in Paris

Das Gebäude « Tête en l’air » in Paris @ KOZ

Die Architekten von KOZ hatten in den ersten Jahren ihrer Büroeröffnung ihr Interesse für den Holzbau bei einem kleineren Projekt entdeckt. In den folgenden Jahren wurden mehrere Wettbewerbsbeiträge in Holzbau eingereicht, jedoch ohne Erfolg. Mit der Grenelle Environnement im Jahre 2007, einer Serie von nationalen Diskussion über Nachhaltigkeit, änderte sich die Stimmung in Frankreich. Der Blick der Akteure der Baubranche begann sich für den Holzbau als Alternative zum marktbeherrschenden Betonbau zu öffnen. Als KOZ dann im Wettbewerb für das Projekt in der Rue Philippe de Girard einen Holzbauentwurf einreichte, war der Bauherr dafür bereit. Zumal die Architekten kurz vorher ein kleineres Wohngebäude mit Betonstruktur und Holzfassaden erfolgreich für die Siemp fertiggestellt hatten.

Das Projekt besteht konstruktiv aus 3 Bereichen, der Tiefgarage aus Beton, dem Bestandsbau an der Straße und dem Holzbau im rückwärtigen Bereich. Die Tiefgarage war für die Stellplätze der Erweiterung notwendig. Der Erhalt des Bestandsgebäudes war trotz seiner begrenzen architektonischen Qualitäten von der Stadt Paris vorgesehen. Die im folgenden notwendigen Baumaßnahmen, Verstärkung der Fundamente, Erneuerung der Geschossdecken, teilweise Erneuerung der Hoffassade, erforderten jedoch höhere Kosten als ein Neubau. Die Erweiterung im rückwärtigen Bereich wurde bis auf die vertikale Erschließung als Holzrahmenbau ausgeführt, welcher es ermöglichte den Kostenrahmen einzuhalten. CLT Massivholzsysteme waren für das Projekt zu der Zeit noch keine Alternative.

Das Gebäude "Tête en l’air" in Paris

Das Gebäude « Tête en l’air » in Paris @ KOZ

Auch wenn das Projekt konstruktiv gesehen kein experimenteller Bau war, stellte 2009 ein größerer Holzbau in Paris noch eher eine Ausnahme dar. Um den Erfolg der Ausschreibung und des Baus sicherzustellen, wurden während der Planung Kontakte mit Baufirmen aufgenommen. Dabei stellte sich heraus, dass die interessierten Holzbaufirmen weder die Rolle des Generalunternehmer übernehmen, noch Unternehmensgemeinschaft eingehen wollten. Daher wurden zwei getrennte Baulose für den Holzbau und die anderen Gewerke ausgeschrieben.

Zu diesem Zeitpunkt waren die in Paris arbeiteten Holzbaufirmen größtenteils in der Renovierung aktiv und eine Baustelle in der dicht bebauten Stadt Paris schreckt außerhalb des Großraum Paris gelegene Firmen ab. Jedoch hatten einige Handwerkerfirmen begonnen in den Maschinenpark zu investieren, um sich auf eine steigende Nachfrage im Holzbau vorzubereiten, und mussten diesen auslasten. So gab es letztendlich zwei Angebote für das Baulos Holzbau. Beauftragt wurde die Holzbaufirma CMB und die Firma Francilia für die anderen Gewerken. Francilia wurde auch die Verantwortung für die Luftdichtheit übergeben, um bei dem Innenausbau einen sorgfältigen Umgang mit den errichteten Holzfassaden sicherzustellen.

Das Gebäude "Tête en l’air" in Paris

Das Gebäude « Tête en l’air » in Paris @ KOZ

Für die Baustellenlogistik entschloss sich CMB die vorgefertigten Holzpaneele mit Sattelzügen von ihrem Atelier in dem Departement Vendée bis zu der Stadtgrenze von Paris zu bringen und dort auf kleinere Lastwagen umzuladen, welche dann die Baustelle anlieferten. Die Sperrung der engen Rue Philippe de Girard konnte dadurch auf einmal zwei Stunden pro Woche begrenzt werden. Die Paneele mit einer Größe von bis zu 3 auf 6 m wurden dann durch die auf zwei Geschosse erhöhte Durchfahrt in den Innenhof gebracht.

Seit 2007 ist der Holzbau in Frankreich in Bewegung gekommen und gerade in den letzten Jahren vervielfachen sich die Initiativen. Doch 2009, als das Büro KOZ den Wettbewerb gewann, waren innerstädtische Holzbauen noch selten. So lagen die Herausforderungen des Projektes weniger im konstruktiven Bereich, als in dem kulturellen Zusammentreffen der durch die Vorfabrikation vorausplanenden Holzbaufirmen und der anderen Gewerke, welche teilweise eher im Laufe der Baustelle das Projekt entdecken und Lösungen finden.

Autor: Christian Horn leitet das Architektur und Planungsbüro RETHINK in Paris, Frankreich

Text veröffentlicht in der Zeitschrift Zuschnitt, N°66, 6/2017

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