Gesamtaufnahme der Fußgängerbrücke

Die Simone de Beauvoir Brücke in Paris – Frankreich

Passerelle Simon de Beauvoir

Passerelle Simone de Beauvoir © Feichtinger Architectes/ Jo Pesendorfer

Am Donnerstag, den 13. Juli wurde, acht Jahre nach dem Wettbewerbsgewinn, die Fußgängerbrücke Simone de Beauvoir des in Graz ausgebildeten und seit 1989 in Paris beheimateten Architekten Dietmar Feichtinger feierlich eröffnet. Diese 37. Brücke der Stadt Paris verbindet mit einer Gesamtlänge von 304 m die zwei neuen Stadtviertel im Osten von Paris, Bercy und Tolbiac.

Das Flussbett der Seine ist an dieser Stelle 150 Meter breit und die Brücke besitzt zu dem zentralen Hauptfeld noch zwei seitlichen Passerellen um die beidseitig stark befahrenen Uferstraßen zu überbrücken und die Anbindungen an die höherliegende Bibliothèque de France und den Parc de Bercy herzustellen.

Die Fußgängerbrücke und ihre zwei Ebenen

Die Fußgängerbrücke und ihre zwei Ebenen © Feichtinger Architectes/ Jo Pesendorfer

Die Brücke wäre sicher früher fertiggestellt worden, wenn nicht im November 1999 ein Sturm mit ungewöhnlich hohen Windgeschwindigkeiten durch Paris gefegt wären und man bei der Milleniumsbrücke in London nicht im Juni 2000 ein überraschendes Phänomen festgestellt hätte. Bei der Eröffnung dieser Brücke verstärken die Schritte der zahlreichen Fußgängern die normalen Schwankungen des Laufstegs. Als unbewusste Reaktion darauf passen die Passanten ihre Schritte den Bewegungen an und verstärken sie damit weiter. Es entstand ein sich selbst aufschaukelnder Kreislauf von induzierter Schwingung der Brücke und zunehmendem Gleichschritt der Fußgänger. Diese bisher nicht gekannten und im Fall der Milleniumsbrücke spektakuläre Schwingungsprobleme mussten bei der Konstruktion berücksichtigt werden. Das zentrale Hauptfeld wurde darauf hin horizontal mit den seitlichen Verbindungsbrücken verbunden und die entsprechenden Dämpfer in die Auflager der Verbindungsbrücken eingebaut, um die horizontalen Schwingungen zu kontrollieren.

Zwei sich überlagernde Kurven erzeugen die Geometrie der Brücke, ein weitgespannten Druckbogen und ein Zugband. Und erst das Zusammenspiel der beiden Elemente ermöglicht die freie Spannweite von 194m bei einem vertikalen Abstand von nur fünf Metern zwischen den Ebenen. Diese beiden Kurven sind gleichzeitig Struktur und Wegeführung und sind sowohl vom unteren Strassenniveau, als auch von den oberen Niveaus der Bibliothek und des Parc de Bercy direkt erreichbar.

Gesamtaufnahme der Fußgängerbrücke

Gesamtaufnahme der Fußgängerbrücke © Feichtinger Architectes/ Jo Pesendorfer

Verschiedene Perspektiven bieten sich bei der Überquerung dem Fussgänger. Der mittlere Weg führt dem Druckbogen entlang mit freiem Blick auf Notre Dame und dem historische Paris. Die Gegenkurve, dem Zugband entlang, führt ihn nahe ans Wasser. Im zentralen Bereich der Brücke erzeugt die Überlagerung von Bogen und Zugband ein Volumen in Form einer Linse. Dieses bietet mit einer Länge von 65 m und einer Breite von 12 m einen einzigartigen öffentlichen Ort über dem Fluss, der in Zukuft zu einer schwebenden über dem Wasser werden könnten, wie ihn heute nur die Pont des Arts mit den nächtlichen Picknick bietet.

Die Eröffnung der Brücke geht einher mit der Fertigstellung des danebenliegenen Schwimmbades auf der Seine und der Neugestaltung des Seineufers der Bibliothek. Die Brücke Simon de Beauvoir hat lange auf sich warten lassen, aber dabei nichts von der im Wettbewerb überzeugenden Leichtigkeit und Eleganz eingebüßt. Es ist der Vorteil eines klaren und in Grunde genommen einfachen Konzeptes, die verschiedensten Schwierigkeiten ohne konzeptuelle Einschnitte zu überleben.

Autor: Christian Horn leitet das Architektur und Planungsbüro rethink

Text veröffentlicht online auf GAT, 07/2006

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