Cours de Vincennes à Paris

Paris, entschleunigt – Frankreich

Cours de Vincennes à Paris

Cours de Vincennes à Paris © Christian Horn 2020

Unfreiwillig und abrupt ist Paris, wie alle französischen Städte, seit Mitte März stark entschleunigt. Als Reaktion zu der um sich greifenden Covid-19 Pandemie entschloss sich die französische Regierung den Notstand auszurufen und eine Ausgangssperre zu verhängen. In Folge schränkte sich das öffentliche Leben stark ein.

Die Metamorphose der Stadt ist erstaunlich. Erstmals die Stille, welche den Platz der Fahrzeuge einnimmt und die Natur wieder wahrnehmbar macht. Dann die Luftqualität, denn die Emission von Stickstoffdioxide und CO2 ist einen Monat später um ungefähr 30% gefallen. Und besonders die Langsamkeit und Leere. In den Straßen, in denen man sich sonst eher im Laufschritt bewegt, flanieren jetzt die Menschen. Denn offiziell soll man wenig aus seiner Wohnung heraus und in einem Radius von 1km bleiben. Eine Gelegenheit sich sein Stadtviertel einmal genauer anzuschauen, Gebäude in Hinterhöfen zu entdecken und Sackgassen zu erkunden.

Der Kontext dieser ungeplanten Entschleunigung hat für viele Menschen tragische Auswirkungen, gesundheitlich, wirtschaftlich und sozial. Doch gibt er auch die Gelegenheit eine Weltstadt anderes zu erleben und sich zu fragen, was man von diesem temporären Stadtleben langfristig beibehalten möchte.

Mit dem Ende der Ausgangssperre zeichnen sich erste Maßnahmen ab. So sollen auf der Rue de Rivoli, der Ost-West Achse der Stadt, breite Fahrradwege den Platz des motorisierten Individualverkehrs einnehmen. Auch soll das Zusammenleben und der Zusammenhalt in den Stadtviertel gefördert werden.

Die abrupte Ausgangssperre zeigt auch die wichtige Rolle der öffentlichen Einrichtungen. Seien es die  Schulen, Bibliotheken oder Sportanlagen. Deren temporäre Schließung lassen die soziale Ungleichheit stärker hervortreten. Man sieht, dass die Stadt weiterhin eine wichtige Rolle in der Angleichung der Lebensbedingungen in den Stadtvierteln hat.

Autor: Christian Horn leitet das Architektur und Planungsbüro RETHINK in Paris, Frankreich

Text veröffentlicht in der Zeitschrift Der Architekt, N° 3/2020

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