Haussmann und die Gebäude von Paris – Frankreich

Baron Haussmann, 1865

Baron Haussmann, 1865

Baron Haussmann

In seiner Amtszeit als Präfekt von Paris, von 1853 bis 1869, erstellte und dirigierte der Baron Georges-Eugène Haussmann (1809-1891) im Auftrag des Kaisers Napoléon III die in ihren Ausmaßen alles übertreffende Restrukturierung der Französischen Hauptstadt. Dem Kaiser sah die damals technische überlegene Infrastruktur der Stadt London, wo er einige Jahre verbracht hatte, als Model für seine Städtebaulichen Überlegungen. Er wollte die in ihrem Kern noch mittelalterliche Stadt Paris in eine moderne Hauptstadt mit großzügigen Straßenzügen, öffentlichen Parks und Kanalisationen umgestalten.

Haussmann bekam dafür alle Freiheiten um die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und mit seinem interdisziplinären Team durchzuführen. In den folgenden Jahren schlägt er Schneisen in die Stadt, breite geradlinige Boulevards mit neuen Gebäuden, welche die Blickpunkte der Stadt verbinden. Oft kritisiert für seinen rücksichtslosen Charakter – das mittelalterliche Paris wurde größtenteils zerstört und die Finanzierung der Bauarbeiten immer abenteuerlicher – repräsentierte dieses Vorhaben die erste Planung einer großen Stadt in ihren funktionalen, technischen und administrativen Aspekten. Haussmann legt auf eine endgültigen und dauerhaften Art das Erscheinungsbild der Stadt Paris für die nächsten Jahrhunderte fest.

View on Rue de Castiglione looking at the Place Vendôme in Paris 1900

View on Rue de Castiglione looking at the Place Vendôme in Paris 1900 © Brooklyn Museum

Die Gebäude

Das städtische Gesamtbild hat Vorrang vor der Architektur und die Gebäude fügen sich durch strenge städtebauliche Regeln in das Straßenbild ein. Auch Monumente müssen sich in das einheitliche Stadtbild einfügen. Sie stehen nicht isoliert da sondern dienen dazu, die wichtigsten Punkte der Stadt zu betonen: Straßenkreuzungen, Fluchtpunkt einer Perspektive (Sichtachse). Es ist die Epoche des Eklektizismus und die Wahl des Stils hängt von der Funktion des Gebäudes ab: die Kirchen sind neugotisch, neuromanisch, neo-byzantinisch, die zivilen Bauten Neo-Renaissance oder neoklassisch.

Haussmann forderte von Anfang an Bauvorschriften über Ausführung, Höhe und Geschoßzahl. Oft legte er die Baumaterialien je nach Viertel persönlich fest. Eine ästhetischen Abstufung, parallel zur einer sozialen Abstufung, welche jedoch eine gewisse Vielfalt mitbringt: von Mietshäusern für Arbeiter und kleinen Händlers bis zu den herrschaftlichen Häusern auf denj Boulevards. Immer wiederkehrende Grundelemente kennzeichnen zusammen mit fein variierenden Details das neue Paris. So gibt Haussmann, obwohl er selber nie ein einziges Gebäude entworfen oder in Auftrag gegeben hat, den bürgerlichen Bauten an Ende des 19.Jh. einen bestimmten Stil.

Die Gebäude waren mit fünf bis sieben Geschossen für mehrere Familien verschiedener Gesellschaftsschichten ausgelegt und ein Spiegelbild der aufkommenden bürgerlichen Gesellschaft. Aus denen ihnen typischen Steinquadern (franz: „pierre de taille“) gebaut, besitzen die Gebäude entlang der Boulevards einen durchgehenden Balkon auf der zweiten und fünften Etage und die Mansardendächer sind mit Dachluken durchstoßen, welche die Zimmer des Dienstpersonals belichten.

Bird's-Eye View of Paris from Arch of Triumph 1915

Bird’s-Eye View of Paris from Arch of Triumph 1915 © OSU Special Collections & Archives

Eine soziale Mischung  auf verschiedenen Etagen

Die Erdgeschosse sind überwiegend als Ladenlokale geplant und die darüber liegende erste Etage für die Besitzer der Geschäfte reserviert. Die zweite Etage (franz. „étage noble“) war für die wohlhabenderen Familien vorgesehen. Hoch genug, um dem Straßenlärm auszuweichen und doch ohne zu viele Treppen steigen zu müssen finden sich dort die großzügigsten Wohnungen. Aufzüge waren noch neu und sehr kostspielig und daher für besondere Gebäude, wir die Grand Hôtels vorgesehen.

Auf dieser Etage befinden sich die herrschaftlichsten Wohungen mit beeindruckenden Deckenhöhen und durchgehenden Balkonen. Die Grundrisse waren von den aristokratischen Appartements des 18.Jh. übernommen. Salon, Esszimmer und Schlafzimmer liegen hinter der Hauptfassade, während die Nebenräume, wie die Küche, sich zur Hofseite orientieren. Die Wohnungen sind zurückhaltend dekoriert und die Ornamente konzentrieren sich auf die Balkone und Friese.

Die Raumhöhen nehmen in den höheren Geschossen ab und die Präsenz von Balkonen und Dekorationen hängt von der Architektur des Gebäudes ab. Die Dachgeschosse zeichnet sich durch die typische Aneinanderreihung von kleinen, unabhängigen Räumen (franz: chambres des bonnes) für das Dienstpersonal aus, deren gemeinsame Sanitärraume sich auf den Fluren befinden. In manchen Gebäuden sind diese mit einem unabhängiges Treppenhaus erreichbar. Diese Zimmer bildeten lange mit kleinen Sanitärräumen ausgestattete typische Studentenwohnung oder wurden zu größeren Appartements zusammengelegt mit freiem Blick über die Zinkdächer von Paris.

Works done during the second empire (1852-1870) in Paris

Works done during the second empire (1852-1870) in Paris

Bauliche Änderungen

Viele Gebäude dieser Zeit sind in den letzten Jahren baulich verändert worden. Meistens betreffen die Veränderungen den nachträglichen Einbau von Aufzügen, welche den Zugang zu den in den höheren Geschossen, abseits des Straßenlärms liegenden Wohnungen erleichtern. In den Untergeschossen weisen die Gebäude größtenteils eher einfache Keller auf und nur bei einigen wenigen kompett renovierten Objekten sind nachträglich Tiefgaragen unter den Gebäuden angelegt worden.

Die an den viel befahrenen Boulevards gelegenen Gebäude werden alle 10 bis 15 Jahre von den Spuren der Luftverschmutzung gereinigt. Eine saubere Fassade ist im Allgemeinen ein erstes Anzeichen für die bauliche Qualität, denn bei den beinahe 150 Jahre alten Gebäude hänge viel von der regelmäßigen Unterhaltung über die Jahre ab. Im Inneren haben einige Wohnungen ihren ursprünglichen Charme mit den typischen Stuck-Dekorationen, massiven Holzböden und offenen Kaminen erhalten. Andere sind in den 70er und 80er Jahren in den damals aktuellen Stilen erneuert worden und bieten teilweise interessante Kontraste zwischen den historischen Fassaden und den modernen Innenräumen. In den letzten Jahren überwiegte jedoch eindeutig der Trend die Wohnungen zwar den zeitgenössischen Lebensstil anzupassen, jedoch gleichzeitig ihren traditionellen Charme zu erhalten.

Autor: Christian Horn leitet das Architektur und Planungsbüro rethink

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